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Wesensgemäße Bienenhaltung

Wesensgemäße Bienenhaltung entsteht durch eine respektvolle, offenherzige Beziehung zu den Bienen. Die Art der Haltung orientiert sich an den natürlichen Bedürfnissen und Instinkten des Bienenvolks.

Die Bienen dürfen sich über den natürlichen Schwarmtrieb vermehren und bauen ihre Waben selbst. Auf die gängige Praxis der künstlichen Königinnenzucht wird verzichtet. Das sensible Brutnest, das "Herz" des Bienenvolks, in dem sich die Königin aufhält, wird nicht gestört. Aktuelle wissenschaftliche Forschung bestätigt heute die Bedeutung dieses Ansatzes für die Vitalität und Gesundheit der Bienenvölker.

Die Wurzeln der wesensgemäßen Bienenhaltung liegen bei Rudolf Steiner (1861-1925) und Ferdinand Gerstung (1860-1925), welche vor rund 100 Jahren die Grundlagen für ein neues Verständnis "des Biens" als ein Lebewesen gelegt haben. Ihre Wirkung blieb allerdings lange Zeit aus. Die Bienenhaltung wurde weitgehend konventionell betrieben und war geprägt von technischen Errungenschaften und einem mechanistischen Weltbild, das die Bienen zu einem landwirtschaftlichen Produktionsmittel machte, dem man durch Leistungszucht und verschiedene Manipulatione immer höhere Honigerträge abgewinnen konnte.

Erst in den 1980er Jahren kam es in Deutschland zu einer Wende: Mit der Ausbreitung der Varroa-Milbe war man zum ersten mal mit einem großen Bienensterben konfrontiert. In diesem Moment der existentiellen Krise, in die die Imkerei geschlittert war, stellten einige Imker im Umfeld der neu gegründeten Lehr- und Versuchsimkerei Fischermühle ihre imkerliche Praxis grundlegend in Frage und begannen vor dem Hintergrund der Äußerungen Rudolf Steiners und des Werkes Ferdinand Gerstungs neue Betriebsweisen zu entwickeln. So wurde im Jahr 1985 Mellifera e. V. als Vereinigung für wesensgemäße Bienenhaltung gegründet. 

Zwei Ziele standen zunächst im Vordergrund: Rasch musste eine ökologische Bekämpfungsmethode der Milbe entwickelt werden, um das Überleben der Völker zu gewährleisten und die Bienenprodukte frei von Rückständen zu halten. Zudem galt es imkerliche Betriebsweisen zu entwickeln, die auf eine langfristig angelegte Stärkung der Bienengesundheit orientiert sind. Durch Beobachtung des Volksganzen, des "Biens", und seiner natürlichen Bedürfnisse und Verhaltensweisen wurden so die Grundlagen der wesensgemäßen Bienenhaltung gelegt. Die „Bundesfachgruppe Demeter Bienenhaltung“ entwickelte dann Richtlinien für die Art der Haltung, die seit 1995 der Zertifizierung für Produkte aus Demeter Bienenhaltung dienen.

 

 

Schwarm in Luft 300x300

Ein gewaltiges Brausen durchdringt die Luft wenn der Schwarm auszieht, sich zu einer Wolke ausdehnt, um sich bald darauf still in einer Traube wieder zu sammeln.

 

 

Schwarmtrieb

Die natürliche Art der Vermehrung von Bienenvölkern ist das Schwärmen, es ist Ausdruck von Fülle und Vitalität. Ein gesundes, starkes Volk will im Frühjahr schwärmen. Dabei verlässt die alte Königin mit einem Teil der Bienen den Bienenstock. Der Schwarm sucht sich nun ein neues Zuhause und beginnt dort sofort für ein neues Brutnest Waben zu bauen. Im zurückgebliebenen Volk schlüpft eine neue Königin, die erst nach dem Hochzeitsflug beginnt Eier zu legen und somit ein neues Volk im alten Haus begründet. Sowohl im alten wie im neu entstehenden Bienenvolk kommt es infolge des Schwärmens zu einer Brutunterbrechung. Dadurch werden bakterielle Erkrankungen und auch die Belastung mit der Varroa-Milbe reduziert. Schwärmen ist ein Akt der Gesundung!

In der konventionellen Imkerei wird das Schwärmen durch verschiedene Eingriffe konsequent unterdrückt. Man versucht stattdessen die Kraft des Bienenvolkes so zu bündeln, dass es einen maximalen Honigertrag gibt, denn von einem schwärmenden Volk lässt sich im selben Jahr kaum Honig ernten.

 

Weiselzelle 300x300

"Weiselzelle", die Wiege der Königin

 

Königinnenzucht

Bei einer Vermehrung der Bienenvölker über den natürlichen Schwarmtrieb wird die künstliche Königinnenzucht überflüssig. Völker in Schwarmstimmung ziehen sich selbst ihre vitalen Königinnen heran, die dann am Standort selbst von mehreren, genetisch meist sehr unterschiedlichen, Drohnen begattet werden.

In der nicht-wesensgemäßen Imkerei wird das Schwärmen der Bienen unterdrückt und die benötigten Königinnen werden mittels eines vom Imker herbeigeführten Notzustandes künstlich produziert. Die Begattung erfolgt dann auf isolierten Plätzen, wo ausschließlich genetisch gleichförmige Drohnen vorhanden sind, oder gar durch künstliche Besamung im Labor.

 

Naturbauwaben 300x300

Frisch gebaute Naturwaben sind strahlend weiß und so zart, dass das Licht hindurch scheint. Arbeiterinnen in einem bestimmten Alter schwitzen winzig kleine Wachsschüppchen aus und formen aus Millionen dieser Schüppchen das kunstvolle Wabenwerk.

 

Naturwabenbau

Das Wabenwerk ist grundlegender Bestandteil des Organismus Bienenvolk. Die Waben erfüllen dabei viele wichtige Funktionen. Sie bilden gleichsam das "Skelett" des Körpers, das der "Bien" aus sich selbst heraus erzeugt. Die Königin legt die Eier in die Zellen der Waben, worin dann die Brut herangezogen wird. In den Waben werden zudem Honig- und Pollenvorräte gespeichert. Die Waben dienen aber auch der Kommunkation zwischen den Bienen im dunklen Stock, sie fungieren als Tanzboden für den Schwänzeltanz und andere Ausdrücke der Bienen-Tanzsprache, und indem sie feine Vibrationen, die verschlüsselte Informationen enthalten, weiterleiten, können Informationen in kürzester Zeit im ganzen Stock verbreitet werden. Der Wabenbau wurde über viele Millionen Jahre hinweg perfektioniert. Die Dynamik des Bauens ist besonders im Frühjahr eines der schönsten Erlebnisse des Imkers. Für die Volksgesundheit sind Wachsschwitzen und Wabenbauen wichtige hygienische Maßnahmen, deren positiven Effekte mittlerweile wissenschaftlich nachgewiesen sind.

Naturwabenbau findet man heute nur mehr selten und meist nur bei wesensgemäß arbeitenden Imkern. Üblicherweise werden den Bienen fertige "Mittelwände" gegeben, das sind Wachsplatten mit eingeprägtem Wabenmuster, die den Bienen den Wabenbau erleichtern sollen. Dabei werden sie allerdings gezwungen, die Zellen nach der exakt vorgegebenen Zellengröße in einem unnatürlichen Einheitsmaß zu errichten. Bei Naturwaben bauen die Bienen eine Vielfalt unterschiedlicher Zellgrößen, die Befestigung der Waben erfolgt durch die Bienen so fein ausgeklügelt, dass die Waben frei schwingen und Vibrationen besser leiten können und schließlich werden von den Bienen Löcher in den Waben angelegt, die als Durchschlupf und zur Optimierung des Klimas im Bienenstock dienen. Auf all diese Feinheiten müssen Bienen verzichten, wenn sie ihre Waben auf der Grundlage von vorgefertigten Mittelwänden errichten müssen.